„Ist die Grenze zwischen den Niederlanden und Deutschland noch offen?“ Das ist eine der häufigsten Fragen, die uns bei NOORD360 seit dem Beginn der Coronakrise erreichte. Um es vorweg zu nehmen: Ja, die Grenze ist offen – und sie wird es auf absehbare Zeit auch bleiben.

Einschränkungen
Allerdings gibt es gewisse Einschränkungen. Ohne „triftigen Grund“ soll keine Ein- und Aureise mehr stattfinden, heißt es in der Zusammenfassung der Regelungen des so genannten „Corona-Kabinetts“, das gestern unter Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel tagte. Eine genaue Definition der Gründe gibt es nicht. Aber Einkaufsfahrten zu Supermärkten, Besuche bei Freunden oder Ausflüge dürften keine „triftigen Gründe“ sein.

Wer darf uneingeschränkt einreisen?
Der Waren- und Güterverkehr zwischen den Niederlanden und Deutschland kann aber uneingeschränkt fortgesetzt werden. Personen, die diese Transporte beruflich begleiten, dürfen ein- und ausreisen. Für sie gilt auch nicht die Anweisung, dass sie sich nach einem mehrtägigen Aufenthalt in Quarantäne begeben müssen. Ebenfalls von der Quarantäne-Regelung ausgenommen sind Grenzpendler, die täglich zu ihrer Arbeitsstelle in das Nachbarland reisen. Wie Michiel Malewicz vom GrenzInfoPunkt Ems Dollart Region (GIP EDR) bestätigt, gibt es rund 40.000 deutsche und 16.000 niederländische Berufspendler entlang der kompletten Grenze.

Noch nicht alles genau definiert
Bei beruflichen Verpflichtungen ist auch ein mehrtägiger Aufenthalt erlaubt, ohne dass eine Quarantäne erfolgen muss – jedenfalls, wenn keine Krankheitssymptome vorliegen. Eine genaue Anzahl der erlauten Aufenthaltstage wurde bisher nicht festgelegt, dürfte aber in der genauen Ausarbeitung der Vorgaben folgen. Ebenfalls nicht genau definiert wurde bisher, ob eine Quarantäne-Regelung auch für Kranken- und Pflegepersonal gilt. Auf diese Problematik hatte unter anderem der Leeraner Landrat Matthias Groote hingewiesen. „Wir sind insofern betroffen, als dass in den Kliniken im Landkreis Leer auch Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte aus den Niederlanden tätig sind. Dieses Personal würde uns schmerzlich fehlen“, so Groote. Bis zum 10. April sollen die Regelungen des „Corona-Kabinetts“ weiter ausgearbeitet werden. Es ist davon auszugehen, dass es für bestimmte Berufsgruppen dann genaue Erläuterungen geben wird.

Grenzkontrollen soll es wie im bisherigen Ausmaß oder nur leicht vermehrt geben. Im Beamtendeutsch heißt das dann: „Bestehende Fahndungs- und Kontrollinstrumente werden von der Bundespolizei zur Einhaltung der Bestimmungen genutzt.“

Voreilige Meldungen sorgen für Irritationen
Grenzschließungen zwischen den Niederlanden und Deutschland sind also vorerst kein Thema mehr. Vergangene Woche hatten jedoch voreilige Presseberichte für Verwirrung gesorgt. Mehrere niederländische und deutsche Medien vermeldeten: Die Grenze wird geschlossen. Sie hatten offensichtlich fest damit gerechnet, dass ein Vorschlag von Horst Seehofer in die Tat umgesetzt wird. Der Bundesinnenminister hatte offenbar vorgeschlagen, auch die Grenze zu den Niederlanden zu schließen – so wie es zuvor schon mit den deutschen Grenzen nach Frankreich, Österreich, Luxemburg, Dänemark und in die Schweiz geschehen war.

Doch die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen machten offensichtlich nachhaltig deutlich, dass die Situation zwischen den Niederlanden und Deutschland nicht mit anderen Grenzregionen vergleichbar ist.

„Eine sehr, sehr enge Abstimmung mit den Niederlanden“
Welche Rolle die beiden Bundesländer spielten, ist auch aus den Ausführungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu entnehmen: „Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen haben einen anderen Weg gewählt haben. Sie haben eine sehr, sehr enge Abstimmung mit den Niederlanden gehabt. Und sie haben darum gebeten, dass dieses Grenzmanagement so beibehalten werden kann und dass im Zweifelsfall noch eine verstärkte Schleierfahndung durch die Bundespolizei stattfindet“, so die Kanzlerin. In Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen seien sich die Verantwortlichen sicher, dass sich der Verkehr wirklich auf die Pendler beschränkt, betonte Merkel: „Es ist ein sehr intensiver Austausch an diesen Grenzen. Deshalb haben wir gesagt: Wir glauben, dass wir auch damit das Notwendige erreichen können.“

„Gesundheitsschutz gelingt nur grenzübergreifend“
Generell gab es in den beiden Bundesländern parteiübergreifende Einigkeit: „Mit einer Grenzschließung schneiden wir uns ins eigene Fleisch“, sagte beispielsweise die europapolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Franziska Brantner und verwies auf die Grenzpendler, den Binnenmarkt und medizinisches Personal.

„Es gibt manchmal Leute, die glauben, das Heil der Dinge steckt im Schließen von Grenzen. Ich bin davon nicht überzeugt“, pflichtete ihr der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul bei. Auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet hatte in den vergangenen Woche immer wieder deutlich gemacht, dass er von einer Schließung der Grenze nichts halte. Er verwies dabei unter anderem auf deutsche Krankenhäuser, die inzwischen auch niederländische Patienten behandeln: „Gesundheitsschutz gelingt nur grenzübergreifend“, so Laschet.

Grenzpendler können sich hier auf der Seite der Bundespolizei vorsorglich eine Bescheinigung herunterladen, die sie im Falle einer Kontrolle vorzeigen:

Download des Beschlusses des „Corona-Kabinetts“ hier.