Der niederländische Turnsport wird von einem Skandal erschüttert, der sich bis in unsere Region zieht. Die frühere Turnerin Joy Goedkoop machte ihren früheren Trainern in einer TV-Sendung schwere Vorwürfe. „Demütigungen, Wutausbrüche und Ignoranz waren an der Tagesordnung. Emotionen, Gefühle und Schmerzen waren nicht erlaubt. Es gab keinen Platz für Müdigkeit.“ Goedkoop wurde im grenznahen Oldenzaal sowie im friesischen Heerenveen trainiert. Dabei soll es auch zu körperlichen Misshandlungen gekommen sein.

Die Turnerin gewährte zunächst einen Einblick in die sechs Jahre, in denen sie als Kind im Turnzentrum Oldenzaal trainierte. Ihr Trainer war ab dem siebten Lebensjahr Vincent Wevers, der bekannteste Turncoach der Niederlande. Im Jahr 2016 wurde Wevers zum „Trainer des Jahres“ gewählt – seine Tochter Sanne hatte zuvor bei den Olympischen Spielen in Rio überraschend Topstar Simone Biles bezwungen und die Goldmedaille am Stufenbarren gewonnen. „Man sollte wie eine Maschine funktionieren“, sagt Goedkoop rückblickend. „Ich wurde von ihm geschlagen und getreten.“ Inzwischen äußern sich auch andere Sportlerinnen. „Körperlich wurde ich nie verletzt, aber ich hatte Angst vor Vincent“, sagt zum Beispiel Wyomi Masela, die 13 Jahre von Wevers trainiert worden war.

Doch nicht nur Wevers steht in der Kritik. Auch der niederländische Turn-Nationaltrainer Gerben Wiersma sieht sich Vorwürfen ausgesetzt.
Im Alter von zwölf Jahren wechselte Joy Goedkoop nach Heerenveen, wo Wiersma ihr Trainer wurde. „In Heerenveen gab es zwar keine direkte körperliche Gewalt mehr. Aber auch dort war es unmenschlich“, berichtet Goedkoop: „Wir durften nicht müde oder verletzt sein und keine Gefühle zeigen.“
Der Niederländische Turnerbund (KNGU) reagierte inzwischen.

Heute wurden die Nationaltrainer Wevers und Wiersma bis zur Aufklärung der Vorfälle suspendiert. Das ist das Ergebnis einer Zusammenkunft der KNGU-Verantwortlichen am Mittwochvormittag.

Eine große Rolle soll in den Gesprächen auch das Geständnis eines weiteren bekannten niederländischen Turncoaches gespielt haben. Gerrit Beltman, KNGU-Trainer bis 2010, räumte gegenüber dem „Noordhollands Dagblad“ ein, dass er junge Turner*innen „misshandelt und gedemütigt“ habe. „Ich hatte nie wirklich die Absicht jemanden zu schlagen, zu beschimpfen, zu verletzen oder herabzuwürdigen. Aber das ist passiert. Ich schlug zu, weil ich dachte, dass es der einzige Weg ist, damit sich die nötige Mentalität für den Spitzensport entwickelt“, erklärte Beltman.

Neben den Suspendierungen wurde vom Turnerbund auch die so genannte „Topsport-Förderung“ im Turnen bis aus Weiteres auf Eis gelegt.