In Deutschland hat die Bundesregierung gemeinsam mit den Bundesländern neue Beschlüsse gefasst, um den Anstieg der Neuinfektionen mit dem Corona-Virus einzudämmen. Die Gespräche fanden „in sehr ernster Lage“ statt, erklärte Bundeskanzlerin Merkel. Es gelte eine „akute nationale Gesundheitsnotlage zu vermeiden“. Ab Montag gelten die neuen Maßnahmen, die Einschränkungen des öffentlichen und privaten Lebens mit sich bringen. So werden unter anderem alle gastronomischen Betriebe geschlossen.

Das Tempo der Ausbreitung des Virus mache die derzeitige Pandemielage sehr ernst, betonte Kanzlerin Merkel im Anschluss an die Beratungen: „Wir erleben einen exponentiellen Anstieg der Zahlen mit Verdopplungszeiten, die sich weiter verkürzt haben“. Das gelte für die Zahl der Infizierten genauso wie die Zahl der Intensivpatienten und der Menschen, die künstlich beatmet werden müssten.

„Wenn es bei diesem hohen Tempo bleibt, werden wir innerhalb von Wochen an die Grenzen der Leistungsfähigkeit unseres Gesundheitssystems kommen“, mahnte die Bundeskanzlerin.

Das wichtigste Instrument zur Eindämmung einer Pandemie sei die Nachverfolgung der Kontakte eines Infizierten. Dieses Instrument stehe allerdings an vielen Stellen nicht mehr zur Verfügung. Infektionsketten könnten deshalb nicht mehr unterbrochen werden. Dies bedeute, dass die Kontrolle über das Virus verloren gehe.

Im Frühjahr sei es gelungen, die Infektionszahlen zu senken – „und zwar vor allem durch die Vernunft und Solidarität der Menschen“, bekräftigte Merkel. „Wir wissen jetzt, wir müssen die Kontakte wieder reduzieren und damit auch die Gefahr der Ansteckung herunterbringen. Deshalb brauchen wir im Monat November noch einmal eine nationale Kraftanstrengung.“

Bund und Länder beschlossen nun gemeinsam harte Maßnahmen, die für ganz Deutschland gelten. Dabei habe man zwei Prioritäten im Auge behalten, so Merkel: Zum einen ein intaktes wirtschaftliches Leben. Und zum anderen, dass Schulen und Kitas offen bleiben. Im Umkehrschluss führe dies dazu, dass man harte Auflagen für die Beschränkung von Kontakten im Privaten und im Freizeitbereich erlassen müsse. Die Kontrollen zur Einhaltung der Maßnahmen sollen flächendeckend verstärkt werden.

Merkel betonte, dass bei 75 Prozent der Neuinfektionen nicht mehr nachzuvollziehen sei, woher sie kommen. Aus diesem Grund habe man Maßnahmen zur Einschränkung von persönlichen Kontakten beschließen müssen. Auch die Freizeitgestaltung werde erheblich eingeschränkt. Dazu gehört auch die Schließung von Gastronomiebetrieben im November. Für Betriebe und Einrichtungen, die von temporäreren Schließungen betroffen sind, werde es eine außerordentliche Wirtschaftshilfe geben.

„Wir wissen, was wir den Menschen zumuten“, betonte Merkel. Das Ziel sei es, einen Weg zu finden, der einerseits eine nationale Gesundheitsnotlage verhindert und gleichzeitig das wirtschaftliche Leben weitestmöglich aufrechterhält. Sie sei deshalb sehr dankbar, dass Bund und Länder heute zu einer Übereinstimmung gekommen seien. „Bei sehr unterschiedlichen Inzidenzen in den einzelnen Bundesländern machen alle mit. Das ist für mich eine sehr gute Nachricht.“

Die neuen Maßnahmen:

Ab dem 2. November treten die zusätzlichen Maßnahmen bundesweit in Kraft. Sie sind befristet bis Ende November. Nach Ablauf von zwei Wochen werden die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder sich erneut beraten und eventuell notwendige Anpassungen vornehmen:

  • Wichtigste Maßnahme in der kommenden Zeit wird es sein, Abstand zu halten und Kontakte zu verringern. Die Bürger*innen werden angehalten, die Kontakte zu anderen Menschen außerhalb der Angehörigen des eigenen Haushalts auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren.
  • In der Öffentlichkeit dürfen sich die Bürger*innen nur noch mit Menschen eines weiteren Haushalts treffen. Insgesamt dürfen das in jedem Fall nicht mehr als zehn Personen sein.
  • Bürger*innen werden aufgefordert, generell auf nicht notwendige private Reisen und Besuche (auch von Verwandten) zu verzichten. Übernachtungsangebote im Inland werden nur noch für notwendige (und ausdrücklich nicht-touristische) Zwecke zur Verfügung gestellt.
  • Institutionen und Einrichtungen, die der Freizeitgestaltung zuzuordnen sind, werden geschlossen: Dazu gehören unter anderem Theater, Kinos, Freizeitparks, Spielhallen, Bordelle, Fitnessstudios. Der Freizeit- und Amateursportbetrieb wird eingestellt. Ausnahme: Individualsport (also allein oder zu zweit oder mit dem eigenen Hausstand).
  • Schulen und Kindergärten bleiben geöffnet. Die Länder entscheiden über die erforderlichen Schutzmaßnahmen.
  • Veranstaltungen, die der Unterhaltung dienen, werden untersagt. Profisportveranstaltungen (z.B. Fußball-Bundesliga) können nur noch ohne Zuschauer stattfinden.
  • Gastronomiebetriebe sowie Bars, Clubs, Diskotheken, Kneipen und ähnliche Einrichtungen werden geschlossen. Davon ausgenommen sind die Lieferung und Abholung von Speisen für den Verzehr zu Hause sowie der Betrieb von Kantinen.
  • Dienstleistungsbetriebe im Bereich der Körperpflege wie zum Beispiel Kosmetikstudios und Massagepraxen werden geschlossen. Medizinisch notwendige Behandlungen (zum Beispiel Physio-, Ergo- und Logotherapien sowie Podologie/Fußpflege) bleiben weiter möglich. Friseursalons bleiben unter den bestehenden Hygiene-Auflagen geöffnet.
  • Der Groß- und Einzelhandel bleibt unter Auflagen insgesamt geöffnet.
  • Für die von den temporären Schließungen betroffenen Unternehmen, Betriebe, Selbstständige, Vereine und Einrichtungen wird der Bund eine außerordentliche Wirtschaftshilfe gewähren, um sie für die finanziellen Ausfälle zu entschädigen.
  • Die Bundesregierung wird die bestehenden Hilfsmaßnahmen für Unternehmen verlängern und die Konditionen für die hauptbetroffenen Wirtschaftsbereiche verbessern (Überbrückungshilfe III). Dies betrifft zum Beispiel den Bereich der Kultur und Veranstaltungswirtschaft und die Soloselbstständigen.
  • Unternehmen werden eindringlich aufgefordert, Homeoffice oder mobiles Arbeiten von Zuhause aus zu ermöglichen.
  • Regelungen zum Schutz von Risikogruppen sollen nicht zu einer vollständigen sozialen Isolation der Betroffenen führen (z.B. Besuche Pflegeheime).