Friesland ist künftig wieder mit zwei Vereinen in der Eredivisie vertreten. SC Cambuur Leeuwarden machte am Wochenende mit einem 4:1-Sieg über Helmond Sport die Rückkehr in die höchste niederländische Fußball-Spielklasse perfekt. Das Wort „Gerechtigkeit“ spielte dabei eine besonders große Rolle…

Bereits vor dem Spiel hatten Fans im Cambuurstadion ein großes Banner aufgehängt. „Für den Verein, für die Stadt, für die Gerechtigkeit“, war darauf zu lesen. Der Aufstieg ist eine Genugtuung nach einem Szenario, das Leeuwardens Trainer Henk de Jong im vergangenen Jahr als „die größte Schande, die es jemals im niederländischen Sport gegeben hat“ beschrieb.

Rückblick auf den März 2020: Cambuur Leeuwarden führte die Tabelle der 2. niederländischen Liga (Eerste Divisie) souverän mit elf Punkten Vorsprung an. Die Friesen spielten mit einem Punkteschnitt von 2,27 Punkten pro Spiel sogar die beste Saison der Klubgeschichte. Doch dann kam Corona. In den Niederlanden wurden vergangene Saison keine Geisterspiele organisiert. Die Spielzeit wurde stattdessen komplett abgebrochen – mit einem Schock für Cambuur Leeuwarden. Der niederländische Fußballverband KNVB entschied: Es gibt nach dem Abbruch weder Aufsteiger noch Absteiger.

29 von 38 Spieltagen waren bereits gespielt. Die Tabelle spiegelte also definitiv ein repräsentatives Bild wider. Ein Statistikbüro errechnete, dass die Aufstiegswahrscheinlichkeit von Cambuur bei 99,5 Prozent lag. Doch auch juristische Schritte halfen nicht. Cambuur blieb Zweitligist. „Unsere damalige Gefühlslage war kaum in Worte zu fassen. Wir befanden uns in einem mentalen Chaos“, sagt Cambuur-Sportdirektor Gerald van den Belt. „Wir hatten so lange auf den Aufstieg hingearbeitet. Alles hat gepasst.“ Nicht wenige Experten waren der Meinung, dass das Team an der bitteren Entscheidung zerbrechen würde. Doch nach einigen Tagen des Schocks berappelten sich Spieler und Verantwortliche: „Wir waren fest entschlossen, das Unmögliche wahr zu machen“, erinnert sich van den Belt an ein Gespräch mit Trainer Henk de Jong.

Von Beginn an schien es so, dass die ungerechte Entscheidung das Team nur noch mehr antrieb. In dieser Saison ist der Punkteschnitt pro Spiel (2,4) sogar noch besser als in der abgebrochenen Vorsaison. Dabei sind die Friesen keineswegs Krösus der 2. Liga. Klubs wie NAC Breda, De Graafschap, Almere City und NEC Nijmegen verfügen über ein höheres Budget. Doch Leeuwarden setzte auf gutes Scouting und hatte ein glückliches Händchen bei den Transfers. Als Leeuwarden im Sommer 2019 den verletzungsanfälligen Stürmer Robert Mühren verpflichtete, wurde das von einigen Fans mit Skepsis betrachtet. Doch Mühren erlebt in Friesland einen zweiten Frühling. Nach 26 Toren in 29 Spielen der abgebrochenen Saison steht er aktuell sogar bei 34 Treffern in 34 Spielen. Das brachte ihm in den Medien den Beinamen „Friesischer Lewandowski“ ein (wir berichteten hier).

Auch im vorentscheidenden Spiel gegen Helmond traf Mühren doppelt. Nach dem feststehenden Aufstieg brachen in Leeuwarden alle Dämme. Die Spieler tanzten ausgelassen auf dem Feld. Viele von ihnen trugen dabei T-Shirts mit der Aufschrift „Justice“ (Gerechtigkeit). Vor dem Stadion sammelten sich unterdessen Tausende Fans, um den Aufstieg mit Unmengen an Pyrotechnik zu feiern – trotz Ausgangssperre und Corona-Beschränkungen.

Doch die Verantwortlichen wissen, dass der Klub nur mit der Aufstiegseuphorie in der Eredivisie nicht bestehen kann. Der Klub soll sich auch auf längere Zeit im Oberhaus etablieren. Nach dem letzten Aufstieg im Jahr 2013 blieb Leeuwarden nur drei Jahre in der 1. Liga. Neben der Kaderplanung liegt das Hauptaugenmerk bei Cambuur deshalb auf dem Stadionneubau, der definitiv kommen soll. Das Projekt ist schon lange in Planung. Aber es kam immer wieder zu Unwägbarkeiten. Zuletzt zog sich das Projektentwicklungsbüro Wyckerveste zurück, da es in einigen Bereichen nicht gelang, die nötige Finanzierung sicherzustellen. Doch inzwischen gibt es wieder Hoffnung. Das Baukonsortium Van Wijnen ist in das Projekt eingestiegen. Die Verantwortlichen hoffen, dass Cambuur bereits zur Saison 2023/24 im neuen Stadion spielen kann. Eigentlich war der Umzug schon für das Jahr 2022 vorgesehen.

„Wir finden alle die Atmosphäre in unserem alten Stadion toll. Aber wir muten unseren Fans auch viel zu. Es gibt kaum Komfort im und um das Stadion. Auch das Fassungsvermögen mit rund 11.000 Plätzen reicht nicht aus. In allen Hinsichten entspricht unser Stadion nicht mehr den heutigen Anforderungen“, sagt Gerald van den Belt. Die neue Arena soll mindestens 15.000 Zuschauern Platz bieten. Der Klub verspricht sich mit dem neuen Stadion weitaus mehr Vermarktungsmöglichkeiten. Das ermögliche Cambuur auch, den Etat für den Spielerkader weiter zu erhöhen, so van den Belt.
Das größte Stadion der Provinz Friesland wäre der Neubau von Cambuur übrigens nicht. Das Abe-Lenstra-Stadion des Erzrivalen sc Heerenveen mit 27.224 Plätzen bleibt hinsichtlich des Fassungsvermögens die klare Nummer 1. Apropos Heerenveen: Die Cambuur-Fans freuen sich schon darauf, dass es kommende Saison in der Eredivisie wieder das brisante Friesland-Derby gibt. Denn endlich bietet sich Gelegenheit zur Wiedergutmachung. Die beiden letzten Derbys in der Saison 2015/16 verlor Leeuwarden (0:2 und 0:1).