Noch kein Sieg und nur sechs Punkte auf dem Konto. Der FC Emmen sah nach dem 22. Spieltag wie der sichere Absteiger aus der niederländischen Eredivisie aus. Doch seitdem verlor Emmen kein Spiel mehr und verließ am Wochenende erstmals die direkten Abstiegsplätze. Fans und Medien reden schon von einem „Wunder“ und feiern das „Fußball-Märchen“. Vielleicht beweist das Beispiel Emmen, dass sich Geduld, Ruhe und Beharrlichkeit im Fußball doch auszahlen.

2018 schaffte der FC Emmen sensationell den Aufstieg in die 1. niederländische Liga, die Eredivisie. Erstmals gelang einem Klub aus der Provinz Drenthe der Sprung in das Oberhaus. Lange Zeit war Emmen (nur 25 Autominuten von Meppen entfernt) überregional vor allem durch den beliebten Tierpark und die Hochschule bekannt – nun konnte die Stadt auch im Fußball auf sich aufmerksam machen.
Doch am 12. Februar 2021 schien die Zeit des FC Emmen in der Eredivisie abgelaufen. Der Klub aus der Grenzregion trat zum vorentscheidenden Duell beim direkten Abstiegsrivalen RKC Waalwijk an. Durch ein Gegentor in der Nachspielzeit verlor Emmen mit 0:1. Fans und Experten waren sich sicher: Nach drei Jahren Erstklassigkeit muss der FC wieder zurück in die 2. niederländische Liga (Eerste Divisie).
Aber Emmen meldete sich am 23. Spieltag eindrucksvoll zurück und bezwang PEC Zwolle mit 3:2. Es war der Startschuss einer Serie, die bis heute anhält. Acht Spiele in Folge verlor das Team nicht. Mit fünf Siegen und drei Remis katapultierte sich Emmen aus aussichtsloser Position inzwischen auf den Relegationsplatz 16. Vier Spieltage stehen noch aus. Sogar der direkte Klassenerhalt ist plötzlich greifbar nahe, da die Konkurrenten Willem II und Waalwijk nur noch zwei bzw. einen Punkt entfernt sind.
Das Spiel gegen Heracles Almelo am vergangenen Wochenende steht symbolisch für die vergangenen Wochen. Emmen führte bis zur 82. Minute gegen Heracles, musste dann jedoch den späten Ausgleich hinnehmen. Mit einem Doppelschlag in der Schlussminute gewann der FC aber noch ein 3:1-Erfolg. Erstmals in der Vereinsgeschichte konnte Emmen damit drei Siege in Folge einfahren. 1.200 (getestete) Zuschauer durften im Stadion „De Oude Meerdijk“ dabei sein und waren aus dem Häuschen.

Doch wie war dieser plötzliche Umschwung möglich? „Wir haben auch in der Hinrunde oft nicht schlecht gespielt. Aber in den entscheidenden Momenten fehlte uns das nötige Glück, dass wir in den vergangenen Jahren in solchen Phasen hatten“, sagt Emmens Trainer Dick Lukkien, der die Mannschaft seit fünf Jahren trainiert und 2018 zum Aufstieg in die Eredivisie führte.
Der Sieg über Zwolle schien eine Initialzündung zu sein. 349 Tage hatte Emmen bis dahin kein Ligaspiel gewonnen. „Nach einer solchen Serie ist es schwierig, den Glauben nicht zu verlieren. Der Sieg über Zwolle hat viel Druck genommen. Davon profitieren wir jetzt seit Wochen“, so Lukkien.

Was noch wichtiger war: Fans, Spieler und Vereinsführung verloren nicht den Glauben an den Trainer. Selbst nach der endlos lang erscheinenden Sieglos-Serie kamen kaum Zweifel auf. Wie inzwischen bekannt wurde, sprachen sich alle Führungsspieler im Winter in einer internen Besprechung für den Trainer aus. „Das ist ein wichtiges Zeichen“, sagt der bekannte niederländische Fußball-Kolumnist Hugo Borst. „Bisher wurden immer schnell die Trainer gewechselt, wenn es mal nicht lief. Ich hoffe stattdessen jetzt auf einen ‚Dick-Lukkien-Effekt’“, so Borst, der dafür plädiert, Trainern auch in schwierigen Situationen das Vertrauen auszusprechen und Geduld zu bewahren. Vertrauen, das Lukkien auch weitergibt – zum Beispiel an Sergio Pena. Der 25-jährige Peruaner gehörte vergangenen Saison noch zu den Leistungsträgern in Emmen, zeigte sich aber zu Beginn der aktuellen Spielzeit in „katastrophaler Form“, wie niederländische Medien attestierten. Sein Trainer hielt jedoch unbeirrt an dem Spielmacher fest. Pena spielte immer und knüpft inzwischen wieder an die starken Leistungen der Vorsaison an. „Jedem Spieler muss man mal eine schwächere Saisonphase zugestehen – auch Sergio“, analysierte Trainer Dick Lukkien in seiner gewohnt nüchternen Art. Und auch Routinier Michael de Leeuw blüht wieder auf. Der 34-Jährige erzielte gegen Heracles alle drei Tore und kommt nun auf 12 Saisontreffer. Dabei ist bei de Leeuw seit Wochen klar, dass er in der kommenden Saison auf jeden Fall erstklassig bleibt. Denn er kehrt überraschend zum FC Groningen zurück, den er 2016 für ein Engagement bei Chicago Fire verlassen hatte. Beim MLS-Klub spielte er damals mit Bastian Schweinsteiger zusammen.

Zu den Verlierern der Saison gehören in Emmen hingegen zwei Deutsche: Der 21-jährige Behadil Sabani kam vor der Saison von Borussia Mönchengladbach, spielte aber in der Eredivisie überhaupt keine Rolle. Im Winter schloss er sich dem Südwest-Regionalligisten Rot-Weiß Koblenz an.
Nicht viel besser lief es für Felix Wiedwald. Der frühere Torhüter von Werder Bremen und Eintracht Frankfurt wurde im Sommer geholt und kam bisher nur auf sechs Einsätze. Inzwischen hat ihm der im Winter von Sheffield United ausgeliehene Michael Verrips den Rang abgelaufen.
Trotz der aktuellen Erfolgsserie treten die Verantwortlichen in Emmen auf die Euphoriebremse: „Wir sind froh, dass wir wieder im Rennen sind. Aber wir müssen bescheiden bleiben. Es ist noch nicht die Zeit, um Polonäse zu tanzen“, sagt Trainer Dick Lukkien. Sonntag reist der FC Emmen als absoluter Außenseiter zu Ajax Amsterdam. Die Amsterdamer können dann die Eredivisie-Meisterschaft offiziell unter Dach und Fach bringen. Nur die wenigsten Fußballfans glauben, dass den Gästen auch dort eine Sensation gelingen kann. Obwohl: Inzwischen ist dem FC Emmen alles zuzutrauen.

Das Stadion „De Oude Meerdijk“ in Emmen bietet Platz für 8.600 Zuschauer*innen.  (Foto: Mario Rauch)