An der Tabellenspitze der niederländischen Eredivisie thronen auch in dieser Saison wieder „Die großen Drei“, also Ajax, PSV und Feyenoord. Die große Überraschung rangiert aktuell auf Platz 5: Mit vier Siegen in Folge hat sich Cambuur Leeuwarden in der Tabelle nach oben katapultiert. Es ist bisher die beste Saison der Vereinsgeschichte für den Aufsteiger aus Friesland. „Es ist eine Momentaufnahme. Ich sehe das eher so: Wir brauchen wahrscheinlich nur noch zehn Punkte für den Klassenerhalt“, sagt Cambuur-Trainer Henk de Jong.

Schlagfertiger Trainer überaus beliebt
24 Punkte haben die Friesen schon eingefahren. Dabei verlief Saison gar nicht so reibungslos, wie es der Tabellenplatz vermuten lässt. Zwei kritische Situationen musste Cambuur meistern. Zunächst zahlte der Aufsteiger im September beim 0:9 in Amsterdam Lehrgeld. Im Oktober gab es dann drei Niederlagen am Stück und Leeuwarden drohte in den Abstiegsstrudel gerissen zu werden. Aber die Verantwortlichen bewahrten Ruhe – und so begann eine Serie mit vier Siegen in Folge. Samstag empfängt Cambuur im Duell um die Europacup-Plätze Vitesse Arnhem. „Wir schauen von Woche zu Woche. Wir müssen uns weiterhin jeden Sieg hart erarbeiten“, betont de Jong. Während seine Mannschaft davon profitiert, dass der Trainer sich auch in schwierigen Phasen schützend vor das Team stellte, schätzen die Medien die Schlagfertigkeit des 57-Jährigen, der auch schon mal Live-Interviews unterbricht, um seine Frau zu begrüßen. Bei YouTube gibt es sogar Videos, in denen die lustigsten Antworten des Trainers zu sehen sind. Der gebürtige Friese wird deshalb manchmal mit Jürgen Klopp verglichen. Und während andere Trainer einen Aufsteiger zumeist mit einer defensiven Spielweise auf das Feld schicken, zeigt sich de Jong mutig. Egal, ob der Gegner Ajax oder Zwolle heißt – Cambuur startet mit einer offensiven 4-3-3-Taktik. Das kann, wie im Fall vom 0:9 bei Ajax, schief gehen. Aber meistens wird der Mut belohnt.

 

„Friesischer Lewandowski“ ging vor der Saison
Leeuwarden traf in 14 Spielen bereits 26 Mal – und das ohne den Mann, der die Friesen vergangene Saison zum Aufstieg geschossen hatte. Robert Mühren erzielte in der abgelaufenen Spielzeit 38 Tore in 37 Einsätzen für Cambuur. Überraschend entschied sich „der friesische Lewandowski“ dann aber, nicht mit Leeuwarden in die 1. Liga zu gehen. Stattdessen blieb er in der 2. Liga (Eerste Divisie) und wechselte zurück zum FC Volendam, für den er schon in der Jugend gespielt hatte. Für den 32-Jährigen spielten dabei auch familiäre Aspekte eine Rolle. Mühren ist in Purmerend aufgewachsen, nur 12 Kilometer von Volendam entfernt. Außerdem wurde ihm dort über die aktive Karriere hinaus eine Rolle im Verein angeboten.

 

Stürmer aus Meppen geholt
Ersatz für den Top-Torjäger fanden die Friesen im Emsland: Vom SV Meppen wechselte Tom Boere nach Leeuwarden. Der frühere niederländische Junioren-Nationalspieler war in der Rückrunde der vergangenen Saison Stammspieler beim SVM. Die Emsländer hatten ihn erst im Januar 2021 vom Ligarivalen Türkgücü München verpflichtet. Zuletzt erhielt bei Cambuur allerdings zumeist Robert Uldrikis den Vorzug vor Boere. Der Lette war ebenfalls vor der Saison geholt worden. Er kam aus der Schweiz vom FC Sion. Während beide Mittelstürmer bisher je dreimal trafen, ist Mittelfeldspieler Jamie Jacobs mit fünf Toren der Topscorer. Für jede Menge Offensivwirbel sorgt auch Linksaußen Issa Kallon, der sich in starker Form präsentiert und schon drei Treffer selbst erzielte und fünf Tore vorbereitete. „An den vielen unterschiedlichen Torschützen sieht man, dass wir nicht so leicht ausrechenbar sind. Es müssen nicht zwangsläufig die Stürmer treffen. Ich bin auch zufrieden, wenn sie Räume schaffen, damit andere Spieler Tore schießen können“, sagt Henk de Jong. „Wir nehmen die Euphorie jetzt mit. Es werden auch wieder schwierige Phasen kommen. Schade, dass wir diese starke Phase ohne unsere Fans erleben müssen“, so der Trainer. Denn seit dem 20. November finden die Spiele der Eredivisie wegen der Corona-Pandemie erneut ohne Publikum statt.

 

Auch Derby ohne Publikum
Damit muss auch das brisante Friesland-Derby zwischen Cambuur und dem sc Heerenveen am 19. Dezember als Geisterspiel stattfinden. Es ist das erste Mal seit sechs Jahren, dass die Erzrivalen wieder aufeinandertreffen. Obwohl Cambuur bisher in dieser Saison vor Heerenveen liegt, ist es eigentlich ein ungleiches Duell. Das zeigt schon ein Blick auf den Marktwert der Kader im Online-Portal „Transfermarkt“. Während Heerenveens Kader rund 30 Millionen Euro wert ist, liegt der Marktwert des gesamten Cambuur-Kaders bei gerade mal 9,8 Millionen Euro. „Wir müssen das realistisch einschätzen. Wir sind derzeit in der glücklichen Situation einen Kader zu haben, der bisher hervorragende Leistungen zeigt. Aber als kleiner Verein kann man das nicht über Jahre garantieren. Starke Leistungen wecken Begehrlichkeiten. Dann kann es schnell passieren, dass Spieler den Klub verlassen“, so de Jong. Leistungsträger wie Mees Hoedemakers oder Alex Bangura stünden bereits auf dem Wunschzettel größerer Klub. Finanzielle Risikos wollen die Verantwortlichen in Leeuwarden trotzdem nicht eingehen. Stattdessen soll das neuen Stadions mehr Vermarktungsmöglichkeiten bieten – und somit mehr finanzielle Sicherheit für die Zukunft. Der Baubeginn der neuen Arena ist für Anfang 2022 geplant.

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Bildunterschrift:
Die Cambuur-Fans hatten in dieser Saison schon viel Grund zum Jubeln. Seit zwei Wochen müssen die Spieler wegen der Corona-Pandemie aber wieder ohne Unterstützung von den Rängen auskommen.

Video: Auch in Nijmegen wurde die Offensivtaktik belohnt. Am Ende gab es einen 3:2-Auswärtssieg.