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Marcus Wiebusch kann nicht aus seiner Haut. Auch nach über 20 Jahren Bandgeschichte kündigt der Kettcar-Sänger Songs immer noch mit den Worten „…und das geht so!“ an. Das war am Dienstagabend auch im Leeraner Zollhaus nicht anders. 400 Besucher*innen waren gekommen, um das erste Kettcar-Konzert nach über zwei Jahren zu erleben.

Die Band machte aus ihren gespaltenen Gefühlen keinen Hehl. Zu sehr hatten der Krieg in der Ukraine und die Corona-Pandemie die vergangenen Monate geprägt. „Aber vielleicht können wir zumindest diesen Abend für etwas Ablenkung sorgen“, sagte Bassist Reimer Bustorff. Und das Leeraner Publikum ließ sich gerne ablenken – mit einem Repertoire an Songs, das die komplette Bandgeschichte widerspiegelte. Ergänzt wurde das Set noch durch ein Cover des Thees Uhlmann-Songs „Schönheit der Chance“. Überraschend spielten Kettcar zudem „Hamburg 8 Grad Regen“ von Rantanplan. Bis 1999 waren auch Reimer Bustorff und Marcus Wiebusch Teil des Ska-Band und konnten sich noch an einen Auftritt mit Rantanplan in Leer erinnern.

„So schlimm ist Leer gar nicht!“
Für Bustorff war es nicht die einzige Erinnerung in Verbindung mit Leer. Mit einem Grinsen erzählte er: „Ich musste zur Bundeswehr, weil ich meine Verweigerung zu spät abgegeben hatte. Ich war dann also aus Dummheit als Kriegsdienstverweigerer bei der Luftwaffe in Wandsbek. Und dort gab es dann immer eine Ansage an die Kompanie. Es hieß dann: ‚Wenn ihr hier fertig seid, dann kommt ihr nach Leer!‘. In meiner Vorstellung war Leer deshalb ein düsterer Ort, der von einer Mauer umgeben ist. Aber dann wurde meine Verweigerung anerkannt und ich musste doch nicht nach Leer. Aber spätestens mit dem heutigen Tag kann ich sagen: So schlimm ist Leer gar nicht!“

Warum Gitarrist Erik Langer ein Trikot von Borussia Leer trug
Eine andere Verbindung hat Kettcar-Gitarrist Erik Langer zu Leer aufgebaut. Er trat im Trikot des Fußballklubs Borussia Leer auf und betonte: „Ich finde es so großartig, dass es hier in Leer mit dem SV Borussia Leer einen Verein gibt, der sich solidarisch mit der Seenotrettung auf dem Mittelmeer zeigt und die Iuventa-Crew sogar mit dem Trikot unterstützt. Danke dafür, Borussia Leer!“
Mit den Aussagen und der Songauswahl wurde erneut deutlich, dass vermutlich kaum eine Band den Spagat zwischen launigen Ansagen über politische Themen bis hin zu einer besonderen Wohlfühlatmosphäre besser bewältigt.
Und so war es auch sinnbildlich, wie aus einer Anekdote über ein besuchtes Blumfeld-Konzert die Brücke zur aktuellen Kriegssituation geschlagen wurde: „Wenn man als Künstler gefragt wird, was man zum Krieg sagt… da kann man nur sagen, dass wir das auch scheiße finden“, erklärte Reimer Bustorff. Marcus Wiebusch ergänzte dann: „Oder man sagt einfach: ‚What’s so funny about peace, love and understanding?‘“ Ein Zitat aus dem Kettcar-Song „Den Revolver entsichern“.

Die Fischbrötchen sprachen für das Zollhaus
Wiebusch erläuterte dann auch noch, warum das erste Kettcar-Konzert nach mehr als zwei Jahren ausgerechnet in Leer stattfand: „Wir hatten mehrere Optionen, unser erstes Konzert zu spielen. Aber als Thees Uhlmann uns erzählte, dass es hier beim Catering im Zollhaus Fischbrötchen gibt, war die Sache für uns klar.“
Das Kettcar-Konzert gehörte im Zollhaus zur Reihe „Neustart Kultur“. Mit diesem Rettungs- und Zukunftsprogramm unterstützt die Bundesregierung den Kultur- und Medienbereich seit 2020 mit zusätzlichen Mitteln. Im vergangenen Jahr konnten mit Unterstützung dieser Mittel bereits mehrere Konzerte im Zollhaus organisiert werden – unter anderem Auftritte von Thees Uhlmann, Enno Bunger, den Leoniden und der Antilopen Gang.

Für 2022 sind im Zollhaus weitere Konzerte bekannter Künstler*innen geplant. Schon bald sollen Namen folgen.
Aber auch Sonntag (10. April) ist schon wieder ein bekannter Musiker zu Gast in Leer. Dann holt STOPPOK sein Konzert nach, das wegen Corona im vergangenen Jahr ausgefallen war.
Noch gibt es hier Karten für das Konzert.

Fotos: Mario Rauch