Der ostfriesische Fußball trifft sich im niederländischen Delfzijl. Das klingt zunächst kurios, ist aber im Winter schon seit mehreren Jahren Realität. Die Kunstrasen-Fußballplätze des Vereins NEC Delfzijl werden in der kalten Jahreszeit ausgiebig von deutschen Gästen genutzt. Von Jahr zu Jahr zieht es mehr Klubs über die Grenze. Angesichts der guten Rahmenbedingungen auf einem modernen Kunstrasen wird die Anreise gerne in Kauf genommen, um Spielpraxis sammeln zu können. In den vergangenen Jahren fanden im Winter jeweils rund 50 Spiele mit deutscher Beteiligung in Delfzijl statt.

Begonnen hat die Grenzwanderung deutscher Fußballvereine aus dem nördlichen Grenzgebiet auf Initiative des Leeraners Mario Rauch. Er ist im niederländischen Amateurfußball gut vernetzt und schaut dort regelmäßig Spiele. Zudem arbeitet er seit vielen Jahren in den Niederlanden. „Es gab in jedem Winter wieder das Problem, dass fast alle Testspiele in Ostfriesland ausgefallen sind. Wir brauchten einfach mehr Planungssicherheit in der Vorbereitung“, so Rauch.

Prima Bedingungen
Deshalb begann er vor mehr als zehn Jahren damit, für den VfL Germania Leer in den Wintermonaten Testspiele im Nachbarland zu organisieren. „Zunächst wurde das etwas belächelt. Einige Leute fanden, dass eine Anreise von bis zu einer Stunde für ein Testspiel zu viel ist. Für die Spieler und Trainer in Leer war das aber von Beginn an kein Problem. Es gab Wintervorbereitungen, in denen andere Vereine kaum Testspiele absolvieren konnten, während Germania bei prima Bedingungen Woche für Woche Spielpraxis sammelte“, sagt Mario Rauch.

Und so ist es nicht verwunderlich, dass von Jahr zu Jahr mehr ostfriesische Vereine den Weg über die Grenze suchten – zunächst zogen grenznahe Vereine wie Weener oder Bunde nach. Später reisten auch Klubs aus Emden, aus dem Landkreis Aurich oder sogar aus dem südlichen Emsland und Cloppenburg in die Niederlande.

Freundschaftliche Verbindung
Wie erwähnt ist dabei der Sportpark Centrum in Delfzijl besonders beliebt. Den Kontakt zu den Verantwortlichen von NEC Delfzijl stellte Mario Rauch im Jahr 2015 her: „Ich hatte gelesen, dass in Delfzijl ein neuer Sportpark mit mehreren Kunstrasenfeldern eröffnet wurde. NEC spielt in einer Liga auf gehobenem Bezirksliga-Niveau. Deshalb fragte ich wegen eines Testspiels an.“ Es war der Beginn einer freundschaftlichen Verbindung zwischen Rauch und Delfzijls Fußball-Organisator Antoon Velis.

„Die Mannschaft von NEC stand damals kurzfristig für das Testspiel nicht zur Verfügung. Statt einfach abzusagen, organisierte Antoon einfach einen anderen Gegner und Germania spielte nur wenige Tage nach der Eröffnung auf einem der neuen Kunstrasenplätze in Delfzijl. Dieses Engagement und diese Gastfreundschaft haben uns sehr beeindruckt. Der Kontakt blieb bestehen“, erinnert sich der Leeraner.

Gemeinsame Sportregion
Inzwischen finden in Delfzijl schon längst nicht mehr nur Testspiele zwischen niederländischen und deutschen Teams statt, sondern auch Duelle, in denen sich zwei deutsche Mannschaften gegenüberstehen – oft auf Vermittlung von Mario Rauch. „Antoon Velis und ich organisieren das gerne. Das machen wir natürlich ehrenamtlich. Wir sehen das auch als Dienst für eine gemeinsame Sportregion, in der die Grenze keine Rolle spielt“, sagt Rauch.

Die Platzmiete beträgt in Delfzijl für ein Testspiel 80 Euro. Ein Betrag, den die Klubs angesichts der hervorragenden Bedingungen gerne ausgeben. Für den gastgebenden NEC Delfzijl helfen die Einnahmen auch bei der Refinanzierung des Sportparks. In Delfzijl, das mit Einwohnerverlust zu kämpfen hat, soll der Sportpark dafür sorgen, dass der Ort auch für jüngere Einwohner attraktiv bleibt.

Vlagtwedde
Neben Delfzijl hat sich inzwischen vor allem auch der Kunstrasenplatz im grenznahen Vlagtwedde zur Anlaufstelle für ostfriesische und emsländische Vereine etabliert. Die Bedingungen sind dort ähnlich wie in Delfzijl. Konkurrenzgedanken gibt es zwischen den niederländischen Gemeinden nicht. „Wir freuen uns natürlich über alle deutschen Gäste. Wir haben aber auch selbst sehr viele Herren-, Frauen- und Jugendmannschaften im Verein. So ist es gut, dass es weitere Kunstrasen-Alternativen gibt, auf welche die Vereine ausweichen können“, sagt Antoon Velis.

Obwohl im grenznahen Raum auf deutscher Seite in den vergangenen Jahren neue Kunstrasenplätze entstanden sind – zum Beispiel in Emden, Hinte und Lathen – hält die „Kunstrasenwanderung“ in die Niederlande bisher an. Denn trotz der neuen Kunstrasenplätze auf deutscher Seite ist die Nachfrage zu groß. „Unser Platz ist fast immer ausgebucht“, bestätigt Matthias Voss vom TuS Eintracht Hinte.

Dazu kommt die Tatsache, dass es zum Beispiel von Leer zeitlich kaum einen Unterschied macht, ob man nach Delfzijl oder Hinte fährt. Und so fanden im Sportpark Centrum in diesem Winter schon wieder über 30 Testspiele mit deutscher Beteiligung statt – und angesichts der Wetterlage dürften noch einige hinzukommen.