In den Niederlanden scheint eine neue Corona-Welle schon begonnen zu haben. Dabei sind die Provinz Groningen und vor allem das Groninger Stadtgebiet besonders betroffen. Die aktuelle 7-Tage-Inzidenz für die Provinz Groningen stieg auf 572.
Noch angespannter ist die Situation in der Gemeinde Groningen, zu der auch das Stadtgebiet gehört. Dort liegen zwar keine Wochenwerte vor. Doch der 14-Tage-Inzidenzwert von 1.343,6 lässt erahnen, wie dramatisch die Lage ist. Täglich kommen dort derzeit Hunderte Neuinfektionen hinzu.

Auch in den restlichen Landesteilen der Niederlande steigen die Infektionszahlen sprunghaft an. Die Provinz Groningen ist inzwischen mit dem hohen Wert von 572 nicht mal mehr Spitzenreiter. Die Region Amsterdam-Amstelland liegt mit einer 7-Tage-Inzidenz von 736 vorne.

Im Vergleich zu Groningen sind die 7-Tage-Inzidenzen der anderen nördlichen niederländischen Provinzen Friesland (182) und Drenthe (141) noch relativ niedrig. Landesweit liegt die Inzidenz in den Niederlanden bei 300. Zum Vergleich: Deutschland liegt bei lediglich 7,1.
Die niederländische Gesundheitsbehörde RIVM geht davon aus, dass mehr als 60 Prozent der aktuellen Infektionen im Nachbarland auf die Delta-Variante zurückzuführen sind.
Die Reproduktionszahl (R-Wert) liegt in den Niederlanden inzwischen bei 2,17. Es ist der höchste Wert seit Beginn der Pandemie im vergangenen Jahr. Rein rechnerisch stecken also derzeit 100 infizierte Menschen 217 Personen an.
Die Ursachen scheinen offensichtlich. Reiserückkehrer*innen spielen eine Rolle. Entscheidender scheinen aber die frühzeitigen Lockerungen zu sein, welche die niederländische Regierung im Juni beschlossen hatte. Ministerpräsident Rutte sprach angesichts der steigenden Infektionszahlen inzwischen von einer „Fehleinschätzung“.
Die Erkenntnis kommt offensichtlich zu spät. Bei großen Veranstaltungen in Clubs und Diskotheken infizierten sich in den vergangenen Wochen in den Niederlanden Tausende Menschen. Studentenstädte wie Groningen werden aufgrund ihres hohen Anteils junger Einwohner*innen zum Hotspot.
Die Vorgehensweise, mit negativen Tests oder Impfungen nahezu alle Formen von Veranstaltungen zu ermöglich, stößt inzwischen auf Kritik. Dazu kommen unbestätigte Berichte, dass manche Veranstalter*innen bei den Überprüfungen der Tests oder Impfungen offenbar fahrlässig waren. So sollen unter anderem Menschen, die vormittags mit Janssen (Johnson & Johnson) geimpft worden waren, bereits abends Clubs besucht haben.
Die Maskenpflicht gilt seit den Juni-Lockerungen in den Niederlanden ohnehin nicht mehr.
Von den aktuellen Infektionen sind folglich vor allem jüngere Menschen betroffen. Das erklärt auch, warum sich die Zahl der neuen Krankenhauseinweisungen wegen Corona in Grenzen hält. Die Lage auf den Intensivstationen ist trotz explodierender Infektionszahlen noch nicht angespannt, da bisher vergleichsweise wenig ältere Menschen von den Neuinfektionen betroffen sind.

Welche Folgen die aktuellen Entwicklungen für die Ein- und Ausreise aus bzw. nach Deutschland haben, steht noch nicht fest. Es dürfte aber vermutlich bald Konsequenzen geben. Die niederländischen Behörden haben die Provinz Groningen inzwischen in die höchste Risikostufe („zeer ernstig“) eingruppiert.
„Die Lage besorgt uns sehr und wir sind mit den Grenz-Landkreisen in Gesprächen“, sagte Claudia Schröder vom Corona-Krisenstab Niedersachsen gestern. Aber rechtlich seien dem Land Niedersachsen „die Hände gebunden“. Die Einreiseregelungen seien inzwischen Sache des Bundes.