Von Alfred Been

Die Niederlande befinden sich seit fast einer Woche in einem „Teil-Lockdown“. Die Zahl der Coronavirus-Infektionen steigt weiter. Es droht ein kompletter Lockdown. Können Maßnahmen wie eine Ausgangssperre helfen, diesem Lockdown zu entgehen?

Am vergangenen Mittwoch wurden bereits alle Gastronomiebetriebe in den Niederlanden für mindestens vier Wochen geschlossen. Auch der Amateursport pausiert komplett. Nur noch kleine Gruppen dürfen sich treffen.

Doch auch eine Woche später hat sich die Situation nicht verbessert. Die Zahl der Coronavirus-Infektionen bewegt sich seit fünf Tagen um 8.000 pro Tag – ist aber nicht rückläufig. Nächste Woche wird Bilanz des zweiwöchigen „Teil-Lockdowns“ gezogen. Es droht ein kompletter Lockdown.

Eine denkbare Sofort-Maßnahme ist die Schließung der Schulen. Diese Maßnahme wurde Anfang dieser Woche bereits von einer unabhängigen Gruppe von Wissenschaftlern befürwortet. Die Zahl der Infektionen in Schulen nimmt ständig zu. Infizierte Schüler und Lehrer nehmen das Virus mit nach Hause. Noch ist unklar, ob die Schulen wirklich geschlossen werden.

Eine weitere Maßnahme, die bereits in anderen europäischen Ländern zum Tragen kam, ist die Ausgangssperre: Zum Beispiel dürfen Belgier zwischen Mitternacht und 5 Uhr morgens nicht mehr auf die Straße (außer bei einem Notfall). In französischen Großstädten wie Paris, Lyon und Marseille ist die Politik noch strenger: In diesen Städten gilt zwischen 21 Uhr und 6 Uhr eine Ausgangssperre.

Ganz klar: Die Ausgangssperre wäre insbesondere für die freiheitsliebende Niederlande eine drastische Maßnahme. Doch aus Sicht von vielen Experten ist sie im Kampf gegen das Coronavirus ein wirksames Instrument. Die meisten Infektionen finden nach wie vor in der eigenen Wohnung oder bei Familie und Freunden statt. Eine Ausgangssperre, zum Beispiel ab 21 Uhr, sorgt dafür, dass sich die Menschen weniger gegenseitig besuchen. Und das scheint notwendig zu sein, um die Ausbreitung des Virus zu stoppen. Denn als die Gastronomie am vergangenen Mittwoch schloss, öffnete das „Gasthaus Wohnzimmer“ einen Tag später.

Bereits Ende Juli führte die belgische Provinz Antwerpen aufgrund der rapide steigenden Zahl von Infektionen eine Ausgangssperre ein. Diese Maßnahme, die damals vier Wochen dauerte, erwies sich als wirksam. Die Zahl der Infektionen flachte schnell ab.

Das RIVM (niederländisches Gegenstück zum RKI) plädierte bereits vor einigen Wochen für die Einführung einer Ausgangssperre. Die Regierung ist sich aber noch unschlüssig. Und das hat auch einen historischen Hintergrund: Das Wort „Ausgangssperre“ (Avondklok) ist in den Niederlanden wegen der Ausgangssperre, die während des Zweiten Weltkriegs galt, vorbelastet und könnte falsche Assoziationen wecken.
Fakt ist aber auch: Mit der Ausgangssperre zielt man vor allem auf jüngere Menschen, denen die Verbindung der „Avondklok“ größtenteils sicher gar nicht bewusst wäre.

Die Regierung hat in den vergangenen Wochen zahlreiche Maßnahmen ergriffen. Ganze Wirtschaftszweige wurden geschlossen. Es wäre daher bedauerlich, wenn die Regierung eine einfache Maßnahme zur Verhinderung von Schlimmerem scheut – und das wegen eines Wortes, das hier in einem ganz anderen Kontext steht.

Die Ausgangssperre wäre eine der letzten Möglichkeiten, einen vollständige Lockdown zu verhindern. Und der würde geschlossene Schulen und ebenfalls eine Ausgangssperre bedeuten – aber dann für den ganzen Tag.